5 Tipps ein besseres Interview zu filmen
Interviews kommen in vielen verschiedenen Film- und Videoproduktionen vor: in Imagefilmen, Reportagen und Dokumentationen sowie in Recruiting- und Messefilmen. Interviews geben dem Film die nötige Authentizität. Sie lösen Sympathie bei den Zuschauern aus, weil diese den Protagonisten „auf Augenhöhe“ begegnen. Oft stehen aber Menschen vor der Kamera, für die diese Situation neu und mit Aufregung verbunden ist. Spezialisten, Mitarbeiter und Fachleute – auf ihrem Gebiet absolute Experten – sind aber im Regelfall Kamera-unerfahren.
Wir geben euch 5 Tipps, wie ihr sowohl inhaltlich als auch filmisch das Beste Ergebnis aus einem Interview rausholt. Dabei spielt es keine Rolle, ob ihr mit dem Handy, einer Actioncam oder einer Profi-DSLR-Kamera filmt.
1. Vorbereitung ist alles
2. Location / Umgebung checken
3. Lichtverhältnisse beachten
4. Ton prüfen
5. Bildkomposition beachten
1. gute Fragen – gute Antworten
Wenn ihr nicht gerade eine Straßenumfrage dreht, bei der Spontanität und Schlagfertigkeit gefragt sind, solltet ihr euch Zeit nehmen und euch mit dem Thema und eurem Protagonisten auseinandersetzen. Je besser ihr im Stoff steht, umso besser werden die Ergebnisse ausfallen. Wenn die Möglichkeit besteht, telefoniert vor dem eigentlichen Dreh mit der Person. So könnt ihr euch mit der zu interviewenden Person bekannt machen und kommt vielleicht sogar an Informationen, die Euch im Rahmen der Recherche entgangen wären.
Denkt daran, nicht jede Person ist Kamera-erfahren und oft haben die Protagonisten Lampenfieber. Es ist eure Aufgabe, ihm oder ihr diese Aufregung zu nehmen und in eine entspannte Atmosphäre zu führen. Oft hilft es schon, vor dem Dreh kurz nochmal miteinander den Ablauf zu besprechen, einen Kaffee oder Tee zu trinken um sich aneinander zu gewöhnen. Schließlich wollt ihr ja eine Story, die professionell und unaufgeregt rüberkommt.
2. Location / Umgebung checken
Sicher wisst ihr schon, ob das Interview im Freien oder in einem geschlossenen Raum stattfinden soll.
Im Freien seid ihr natürlich von den äußeren Bedingungen wie Wetter, herumlaufenden Personen und Umgebungsgeräuschen abhängig. Unser Tipp: wenn es euer Dreh und das Video-Konzept zulassen und die Umstände im Freien, ein zu großes Risiko darstellen, nutzt lieber die Vorzüge Indoor zu drehen. Wir empfehlen Euch, den Drehort vorab schon mal zu besichtigen. Ist dies aus Zeit- oder Entfernungsgründen nicht möglich, dann bittet euren Kunden um ein paar Vor-Ort-Fotos oder nutzt Google Maps. Das reicht oft schon, um ein Gefühl für die Location- und Umgebungsverhältnisse zu bekommen. Habt ihr die Wahl zwischen mehreren Räumen, dann nutzt nach Möglichkeit einen Raum, der genug Platz bietet und in dem man sich nicht beengt fühlt.
3. Lichtverhältnisse beachten
Egal ob ihr Drinnen oder Draußen dreht: eine kontrollierte Lichtsituation ist das A und O. Dreht ihr im Freien, solltet ihr die genaue Position der Sonne zur geplanten Drehzeit kennen. Dafür gibt es kostenlose Apps, die Euch jede Tageszeit an jedem Ort simulieren.
Für Android gäbe es beispielsweise Sun Position.
Für iOS gibt es beispielsweise Sun Seeker.
So vermeidet ihr, dass ihr vor einer ausgewählten Hintergrundkulisse gegen die Sonne filmen müsst. Mithilfe solcher Apps könnt ihr also genau planen, zu welcher Uhrzeit ihr euch wie positionieren könnt, ohne dass euch Sonnenstrahlen einen Strich durch die Rechnung machen. Eine einfache Akkubetriebene LED-Lampe ist eine gute Ergänzung, um im Notfall die schattigen Partien im Gesicht des Interviewpartners aufzuhellen. Wenn ihr die Möglichkeit habt, zu einem Außendreh einen Assistenten mitzunehmen, sind einfache, diffuse Reflektoren, wie Porträtfotografen sie verwenden, die bessere Wahl. Der Assistent lenkt das Sonnenlicht auf die dunklen Partien des Interviewpartners und gewährleistet eine gleichmäßige Ausleuchtung. Der große Vorteil am Reflektor ist, dass ausschließlich mit Sonnenlicht beleuchtet wird, also kein Mischlichtsituation entsteht. Mischlichtsituationen wirken schnell eigenartig und machen eine spätere Farbkorrektur zur Herausforderung.
Das reflektierte Licht richtet euer Assistent einfach auf den Interviewpartner.
Um die Umgebung müsst ihr euch nicht kümmern, das übernimmt das Sonnen – bzw. Tageslicht.
Dreht ihr im geschlossenen Raum, schaut euch erst einmal die vorhandene Lichtsituation an. Gibt es Fenster, die euer Bild „ausbrennen“ (überbelichten) lassen, welche Lichtquellen sind außerdem vorhanden (Lampen, Leuchten, Sonnenlicht, beleuchtete Schilder usw.). Idealerweise positioniert ihr Euern Interviewpartner nicht direkt vor dem Fenster, sondern lasst das Sonnenlicht eher seitlich auf eine seiner Gesichtshälften fallen. Die dunklere Gesichtshälfte hellt ihr entweder mit einer LED auf oder bedient euch ebenfalls eines Reflektors. Für eine gleichmäßige Ausleuchtung sorgt ihr, wenn ihr Euer Objekt so positioniert, dass das Sonnen- bzw. Tageslicht direkt auf das ganze Gesicht fällt. Bedenkt immer: Um eine gleichmäßige Hautfarbe des Interviewten darzustellen sollte immer alle eingeschalteten Lampen die gleiche Lichtfarbe besitzen. Die Lichtfarbe bzw. Lichttemperatur wird in Kelvin angegeben und steht normalerweise auf jeder Glühbirne. Falls ihr euch nicht sicher seid, macht vor dem Gespräch eine kurze Testaufnahme mit dem Interviewpartner am Drehort und schaut euch die Aufnahme auf einem Display an, der eine gute Farbwiedergabe hat.
Grässliches Flackern oder helle und dunkle Wellen auf der Aufnahme sind zu vermeiden, indem ihr mit 1/50 pro Sekunde Belichtungszeit dreht.
4. Ton prüfen
Genauso wichtig wie das Bild ist bei einem Interview der Ton. Auch hier kommt es wieder ganz auf die Situation an. Dreht ihr im Freien, checkt unbedingt die Umgebungsgeräusche wie Straßenbahn, Züge, Autos etc. Ein paar Umgebungsgeräusche sind okay, sie sollten allerdings nicht die Sprache Eures Protagonisten überlagern. Eine Fabrikhalle kann allerdings ebenfalls ungünstig sein, wenn arbeitende Maschinen im Hintergrund die Sprache übertönen. Nun kommen wir zu einem kleinen Ausflug in die Tontechnik beim Videodreh. Bei Interviews kommen i.d.R. zwei Arten von Mikrofonen zum Einsatz:
1. Lavaliermikrofon mit Funkstrecke (Ansteckmikrofon) oder externem Aufnahmegerät
2. Richtmikrofon – die sogenannte Angel
Generell empfehlen wir die Aufnahme mit einem Ansteckmikrofon. Egal ob ihr mit einer Funkstrecke, einem externen Aufnahmegerät oder dem Handy aufnehmt – die Tonqualität ist meistens um Welten besser als die eines Richtmikros an einer Angel. Wichtig ist in jedem Fall: Vor Drehbeginn Akkus checken. Wir haben gute Erfahrung mit dem Rode Filmmaker Kit gemacht.
Das ist zuverlässig, klingt gut und lässt sich über den Blitzschuh-Adapter auf jede DSLR Kamera schrauben. Bei einem Lavaliermikrofon müsst ihr ebenfalls darauf achten, dass es gut positioniert ist und idealerweise nicht an der Kleidung reibt oder raschelt. Auch klappernde Ohrringe oder Ketten in der Nähe des Ansteckmikros solltet ihr versuchen zu vermeiden oder darauf ganz besonders achten. Die Funkstrecke könnt ihr Euch evtl. auch sparen, in dem ihr ein sehr langes Mikrofonkabel (Verlängerung) direkt an die Kamera oder Euer Handy anschließt.
In Sachen Richtmikrofon hat sich das Sennheiser MKH 416 als Nonplusultra erwiesen.
Allerdings solltet ihr Aufnahmen mit diesem Mikrofon erfahrenen Set-Tonleuten überlassen. Denn ist es nicht 100%ig auf den Mund es Protagonisten ausgerichtet, wird der Ton merklich schlechter, vlt. sogar unbrauchbar. Außerdem müsst ihr hier ständig darauf achten, dass die „Angel“ nicht ins Bild hängt. Beim Aussteuern des Eingangslevels gilt – lieber etwas zu viel Pegel, als zu wenig. Aber Achtung – nicht übersteuern. Grün ist gut, rot ist schlecht.
5. Die korrekte Bildkomposition
Damit haben wir alle Vorbereitungen getroffen, um ein interessantes Interview zu führen. Im letzten Punkt geht es um die Bildkomposition. Also das, was Euer Bild ausmacht und gut beim Zuschauer ankommt. Auf folgende Punkte müsst ihr achten, damit Euer Bild die notwendigen „Standards“ erfüllt:
1. Kameraposition
Beim Einstellen eurer Kamera oder des Smartphones, achtet darauf, dass sich die Linse auf Höhe des Protagonisten befindet. Somit seid ihr „auf Augenhöhe“ und riskiert keine Über- bzw. Untersicht, es sei denn, es ist gewollt und als Stilmittel gedacht. Lasst Euren Interviewpartner nicht direkt in die Kamera schauen, sondern leicht daneben. Das wirkt natürlicher und der Zuschauer fühlt sich nicht „beobachtet“. Auch hier gibt es wieder Ausnahmen, beispielsweise Reportagen, bei denen die Reporter in die Kamera schauen und den Zuschauer direkt ansprechen.
2. Einstellungsgröße wählen
Bei einem Interview ist es oft von Vorteil, wenn man zwischen zwei Einstellungsgrößen hin- und her schneiden kann. So lassen sich Versprecher oder unbrauchbare Teile im Interview ganz einfach rausschneiden. Voraussetzung dafür ist allerdings das Filmen in 4k. So könnt ihr 50% in euren HD-Film reinzoomen, ohne dass es irgendwelche Qualitätsverluste gibt. Neue Smartphones, wie das Iphone 11 verfügen über mehrere Objektive, die bereits bei der Aufnahme verschiedene Einstellungsgrößen filmen. Noch besser ist es immer, mit zwei Kameras aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu filmen. Welche Einstellungsgrößen es gibt und wie man sie geschickt einsetzt, könnt ihr in unserem Blogbeitrag zum Thema Einstellungsgrößen lesen.
Hier seht ihr eine typische Einstellungsgröße für ein Interview, die NAHE.
Da wir in 4K gefilmt haben, können wir 50% in das Bild hineinzoomen und haben direkt eine zweite Einstellungsgröße, das Closeup (Detailaufnahme).
3. Raster
Aktuelle Smartphones und DSLR Kameras verfügen meist über eine Funktion namens Raster. Diese ist vor allem bei Interviews von großem Nutzen, weil Ihr so euren Protagonisten exakt nach dem goldenen Schnitt (2/3 – 1/3 Regel) positionieren könnt. Schaltet man das Raster im Menü an, wird das Kamerabild in 9 gleiche Bereiche aufgeteilt. Ideal ist eine Position, bei der sich die Augen auf Höhe der oberen Linie befinden. Rückt Euern Interviewpartner nicht direkt in die Mitte, sonst entsteht das Gefühl, dass er aus dem Bild „rausschaut“. Wenn er nach rechts an der Kamera vorbeischaut, richtet die Kamera so aus, dass das linke Auge auf der senkrechten, äußeren linken Rasterlinie liegt.
4. Headroom
Als Headroom bezeichnet man in der Filmbranche den Abstand zwischen der oberen Kopfkante und der Bildoberkante. Achtet beim Einrichten eurer Kamera darauf, dass dieser Bereich nicht zu luftig ist, sonst rutscht euer Protagonist nach unten, was letztendlich auch nicht schön aussieht.
5. Noseroom
Als Noseroom bezeichnet man in der Filmbranche den Abstand zwischen der Nasenspitze und dem rechten bzw. linken Bildrand, je nachdem, in welche Richtung euer Protagonist schaut. Wichtig ist hierbei, dass euer Interviewpartner ins Bild und nicht aus dem Bild schaut.
6. Schärfentiefe / Tiefenschärfe (Bokeh)
Zu guter Letzt noch ein Stilmittel, dass in Sachen Interview-Filmen kaum noch wegzudenken ist: die Schärfentiefe, die man getrost auch Tiefenschärfe nennen kann. Mit Schärfentiefe wird der Bereich in einem Foto oder eine Videoszene bezeichnet, in dem alles scharf abgebildet wird. Der scharf abgebildete Protagonist soll sich vor einem weich und unscharf abgebildeten Hintergrund abheben. Das gibt dem Bild Tiefe, verleiht eurem Film einen cineastischen Look und vor allem: der Betrachter weiß sofort, was das Wichtige im Bild ist. Wenn es darum geht, wie schön oder weniger schön unscharfe Bildbereiche wirken, spricht man von Bokeh. Bei verschiedenen Smartphones lässt sich dieser Effekt über die Einstellungen erzeugen. Testet das am besten vorher. Mit Actioncams wie einer Gopro oder der DJI Actioncam funktioniert dies allerdings nicht. Voraussetzung für ein schönes Bokeh sind:
1. Euer Interviewpartner muss weit genug vom Hintergrund entfernt sein
2. Das Objektiv muss über eine möglichst kleine Blende (2,0 oder weniger) verfügen
3. Die Brennweite eures Objektives sollte zwischen 50mm und 80 mm liegen
In unserem Blogbeitrag zum Theme „Bokeh“ erfahrt ihr ganz genau, wie ihr einen wunderschönen unscharfen Hintergrund für eure Interviewsituation erzeugt